Willkommen!

Artikel der Werntal-Zeitung vom 14.4.2022, übernommen mit freundlicher Genehmigung der Redaktion

Bürgermeister Franz-Josef Sauer begrüßte die geflüchteten Menschen aus der Ukraine in der Stadt Arnstein

Sie haben schreckliche Wochen hinter sich: Bombardierung, Luftschutzkeller, Staus, Hoffen, Warten und wieder Warten… Mit einem „Willkommen in Arnstein“ hieß Bürgermeister Franz-Josef Sauer die aus der Ukraine gekommen Flüchtlinge in Arnstein willkommen. „Wir bieten Ihnen Freundschaft an und möchten Ihnen ein Stück Geborgenheit und Beheimatung schenken“, so das Arnsteiner Stadtoberhaupt weiter.

Viktor Palamaryuk übersetzte

Die am meisten gefragte Person bei der Willkommensveranstaltung in der Arnsteiner Stadthalle war jedoch Viktor Palamaryuk. Er war es, der die Übersetzung der Rede des Bürgermeisters übernahm und der die Fragen der ukrainischen und deutschen Quartiergeber und Helfer übersetzte.

Bürgermeister Franz-Josef Sauer hieß die Flüchtlinge aus der Ukraine herzlich in Arnstein willkommen. Zusammen mit Gastfamilien und Helfern waren circa 120 Personen in die Arnsteiner Stadthalle gekommen.

Dank an Quartiergeber und Helfer

Sauer freute sich, dass die Geflüchteten vielerorts mit großer Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft empfangen wurden. Für diese Offenheit und die Zeichen der Freundschaft bedankte sich der Bürgermeister bei den Arnsteiner Familien und dem Helferkreis. Sein besonderer Dank ging an Cornelia Fuchs und ihrem 30-köpfigen Helferteam. „Die Helfer haben schon Tolles geleistet“, dankte der Bürgermeister.

Als bekannt wurde, dass die Menschen aus der Ukraine flüchten müssen, übernahm Cornelia Fuchs gemeinsam mit Regina Dorn die Initiative und eröffnete die Kleiderkammer. Durch Werbeaktionen machte sie auf die dringend benötigten Hilfen aufmerksam und bat die Bevölkerung um Spenden für Lebensmittel- und Medikamtensendungen für das belagerte Kriegsland.

Stadtverwaltung erstellte Flyer für Kontaktaufnahme mit Schulen und Behörden

Das Willkommenstreffen bot den Flüchtlingen Gelegenheit, sich über Hilfsmöglichkeiten vor Ort zu informieren und Kontakte aufzuzeigen, die von den ukrainischen Neuankömmlingen genutzt werden können. Mit dabei waren auch Pfarrer Christian Ammersbach, Pfarrer Tilman Schneider, Schulleiterin Katharina Krenig und Sandra Künzel vom Einwohnermeldeamt der Stadt.

Pfarrer laden zum Besuch der Gottesdienste ein

„Vieles sei neu und vielleicht anders als bei Ihnen zuhause“, sagte der Bürgermeister: Die Sprache, die Behörden, das tägliche Leben, die Schule…“

Bei dem Treffen sollen zum einen Fragen gestellt und – nach Möglichkeit – beantwortet werden, aber auch die Begegnung sei ein wichtiger Teil. Dazu lud der Bürgermeister im Anschluss an die Fragestunde in das Foyer der Stadthalle ein, wo sowohl die Neuankömmlinge, als auch die Gastfamilien und Helfer sehr schnell bei Kaffee und Kuchen ins Gespräch kamen.

Als wichtige Hilfsquelle zeigte sich dabei die Übersetzer-App der Handys. Mit deren Hilfe können ganze Sätze übersetzt werden, so dass eine effektive Kommunikation möglich wird.

Die Geistlichen der Pfarrei luden zum Besuch der Gottesdienste während der Heiligen Woche und an Ostern ein und betonten, dass es völlig egal sei, welcher Konfession jemand angehöre. Auch zu den Friedensgebeten seien die Geflüchteten herzlich willkommen. Sollten Räume für Versammlungen oder Treffen benötigt werden, so würde er diese gerne zur Verfügung stellen, betonte Pfarrer Schneider.

Katharina Krenig:
Schulintegration so bald als möglich

Intensiv nachgefragt wurde beim Thema Schulbesuch. Schulleiterin Katharina Krenig, die alle Arnsteiner Schulen vertrat, teilte mit, dass derzeit zwei, aus der Ukraine kommende, Schüler in der Arnsteiner und ein Schüler in der Schwebenrieder Grundschule integriert seien. In der Mittelschule seien es fünf Jugendliche und in der Realschule sechs Schüler. Krenig betonte, dass es wichtig sei, eine Beziehung zu den Schülern vor Ort herzustellen. Die Schüler würden deshalb bereits jetzt auch in die Regelklassen integriert.

Willkommensgruppe nach den Ferien

Nach den Ferien wird eine Willkommensgruppe eingerichtet, in der das Erlernen der deutschen Sprache vorrangig gefördert wird. Grundsätzlich sei sie überrascht, so die Schulleiterin, welch hohen Bildungsstand die ukrainischen Schüler mitbrächten.

„Wir wissen oft nicht, wo und wann Schüler angekommen sind“, so Krenig. Die Schulleiterin bat die Eltern, in Eigeninitiative auf die Schule zuzugehen und zu überlegen, wann ein Start sinnvoll scheint. Grundsätzlich bestehe erst drei Monate nach Ankunft eine Schulpflicht.

Hoher Bildungsstand der Schüler

Bürgermeister Sauer stellte zur besseren Orientierung den von der Stadtverwaltung erarbeiteten Flyer vor, auf dem alle – nach der Ankunft wichtigen – Kontaktadressen gefunden werden. Diese Informationen seien sowohl für die Geflüchteten als auch für die Gastfamilien wichtig. Sauer versicherte, dass das Rathaus so gut es möglich sei, Unterstützung geben werde.

Ärztliche Versorgung und Jobsuche

Ein wichtiges Thema der Geflüchteten war die Frage nach der ärztlichen Versorgung und nach Gesundheitsgutscheinen, Corona- und Masernimpfung, die Arbeitssuche über das Job-Center, die unbürokratische Aufnahme der ukrainischen Kinder in den Kindergärten, Unterstützung durch das Sozialamt, Deutsch- und Integrationskurse in Form von Online-Sprachkursen, Bus-Transfer…

Landratsamt übernimmt Koordination

Bürgermeister Sauer betonte, dass das Landratsamt die Koordination für alle Ankommenden übernommen habe und deshalb der erste Ansprechpartner für die Ankommenden und die Gastgeber sei. Alle Aktionen würden von dort zentral und einheitlich abgewickelt. Innig bat das Stadtoberhaupt, keine „Sonderaktionen“ zu starten, sondern sich mit allen Fragen an die eigens eingerichtete Stelle im Landratsamt zu wenden.

Die Öffnungszeiten der Kleiderkammer wurden durchgegeben und um Finanzspenden zur Finanzierung weiterer Hilfssendungen gebeten. Mit großem Applaus dankten die Anwesenden Viktor Palamaryuk für die von ihm geleistete Übersetzungsarbeit und die vielen Hilfestellungen bei Rechtsfragen. „Viktor, Sie sind gerade jetzt ein besonderer Glücksfall für Arnstein“, so der Bürgermeister.

Landratsamt ist zentraler Koordinator für die Geflüchteten

Bürgermeister bittet, keine gut gemeinten Eigeninitiativen zu starten

ARNSTEIN. Sie flüchteten aus ihren bombardierten Städten und kamen über Polen, Ungarn, Rumänien, Moldawien, der Slowakei nach Deutschland. In Arnstein fanden circa 40 Neuankömmlinge eine vorläufige Heimat.

Beim Begrüßungsnachmittag, zu dem Bürgermeister Franz-Josef Sauer die ukrainischen Flüchtlinge zusammen mit ihren Gastfamilien und den ehrenamtlichen Mitarbeitern des Helferkreises einlud, wurde viel über die dringend benötigten Behörden-, Schul-, Arbeits- und Sozialhilfen gesprochen, aber auch über die Erlebnisse, die viele der Ankommenden auf der Flucht zu bewältigen hatten. Mit Hilfe der Sprach-App war die Konversation zwar holprig, aber doch sehr viel einfacher möglich.

Konversation über Sprach-App

Großartig fand der Bürgermeister, wie intensiv sich die Gastgeber um die angekommenen Menschen kümmern, wie viel Freundschaft und Hilfsbereitschaft überall zu spüren ist. Dennoch bat er die Familien, keine – sicherlich gut gemeinten – Eigenaktionen zu starten, sondern sich mit allen Fragen entweder an die Stadtverwaltung oder direkt an das Landratsamt Main-Spessart zu wenden. Auf der Suche nach Arbeit würden auch die Termine mit den Job-Centern von dort abgeklärt.

Es sind meist Frauen mit ihren Kindern, die ihr Land verlassen haben, um die Kleinen in Sicherheit zu bringen. Quälend sind die Sorgen und die Angst um die Zurückgebliebenen: Um Ehemänner, Söhne, Verwandte. Panik kommt auf, wenn ein Angehöriger sich zwei Tage nicht gemeldet hat.

Durchschnittalter liegt bei 38 Jahren

Mehr als 331  000 Kriegsflüchtlinge sind aktuell aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Und es werden noch mehr kommen. 84 Prozent sind Frauen und 58 Prozent kamen gemeinsam mit ihren Kindern an. Das Durchschnittsalter der Frauen liegt bei 38 Jahren. 92 Prozent der Frauen waren in der Ukraine berufstätig oder in der Ausbildung.

Im Gespräch mit den ukrainischen Familien wird immer wieder bestätigt, dass die meisten Flüchtenden dorthin wollen, wo sie Freunde oder Verwandte haben und wo sie die Hoffnung haben, Arbeit zu finden.

Koffer packen in 30 Minuten

Die Kinder heißen Oleg, Nazar, Danlyo, Angelina… Sie kommen aus Großstädten wie Kiew, Mariupol, Charkiw und auch aus den ländlichen Regionen. Überstürzt und verängstigt machten sie sich mit ihren Familien auf den Weg. Ehemänner und Söhne blieben zurück. Ein Trauma.

Fragen wie: „Was packt man ein, wenn man plötzlich sein Zuhause verlassen muss? Wenn man nur einen Koffer tragen kann, weil auf dem anderen Arm dein Kind sitzt?“

Weil die Männer ihr Land verteidigen wollen, flüchten vor allem Mütter mit ihren Kindern aus der Ukraine. Alle mit der Hoffnung, dass bald Frieden einkehrt und sie baldmöglichst wieder zurückkehren können.

Ganz schrecklich ist die Ungewissheit, ob sie ihre Ehemänner, ihre Väter, ihre Großväter, Onkel und ihre verbliebenen Verwandten jemals wieder sehen werden. Im Vorfeld fanden oft innig geführte emotionale Diskussion über „Bleiben“ oder „Gehen“ statt. Dazwischen immer wieder das Aufheulen der Sirenen und Bombeneinschläge.

Mitglieder des Helferkreises Arnstein und Stadtrat Josef Grodel sorgten für die Bewirtung der Teilnehmer des Kennenlern-Nachmittages mit den ukrainischen Flüchtlingen in der Stadthalle Arnstein. Im Bild v.l. Bürgermeister Franz-Josef Sauer, Regina Dorn, Michaela Dürr, Aurelia Lammens, Josef Grodel.

Hoffnung auf schnelles Kriegsende

Die meisten Geflüchteten warteten noch einige Tage ab und hofften, dass die Schüsse aufhören. Doch als die Explosionen nicht endeten, musste schnell gehandelt werden. Es war keine Zeit mehr für Diskussionen. Teilweise innerhalb nur weniger Stunden, musste das Notwendigste in den Rollkoffer und in den Rucksack gepackt werden: Papiere, Nahrung, Wasser, wenige Kleider… Die Kinder durften nur ein Lieblingsspielzeug mitnehmen, was oft zu Tränenausbrüchen führte.

Teilweise dauerte die Flucht mit dem Auto oder mit der Bahn mehrere Tage. Überall waren Staus. Die Menschen drängten. Jeder hatte Angst. „Aber wir haben erst aufgegeben, als wir sicher waren, dass wir die Grenze ins Nachbarland überschritten haben. Und dann sind wir alle zusammengebrochen“, erzählt eine 35-jährige Mutter.

Sorge um Männer, Söhne, Verwandte

Anfangs herrschte noch die Hoffnung, dass der Krieg in ein paar Tagen enden würde; aber zwischenzeitlich sieht es ganz anders aus. Alle haben Angst, sind in größter Sorge um ihre Angehörigen, um ihre Männer, um ihre Söhne, um ihre Verwandten. Und manchmal fragen sie sich sogar: „Habe ich überhaupt das Recht, mich hier in Sicherheit zu fühlen, während mein Mann und meine Familie mitten im Inferno kämpfen?“ – Da bleiben nur noch Tränen, Angst und eine unendliche Trauer.

Viktor Palamaryuk’s Übersetzungen waren auch nach dem offiziellen Begrüßungstreffen stark beansprucht. Viele individuelle Probleme und Fragen mussten von ihm übersetzt und teilweise auch beantwortet werden.